Wie lernen: wer analysieren kann, lernt leichter


Kernaussage: Wie lernen? Wer analysieren kann, erkennt die Zusammenhänge und kann sein Wissen um "grundlegende Ideen" herum organisieren. So entsteht ein "Netzwerk von Informationen". Gute Lerner können die Details von den "grundlegenden Ideen" ableiten. Anfänger lernen eher isolierte Fakten und Formeln.

 

Siehe auf Learn-Study-Work auch "Die beste Lernmethode/Lernstrategie für eine Prüfung", "Klausurvorbereitung - Immunsystem", "Lernen in der Schule", "Wie studieren", "Aktives Lernen/Lehren".

 

Was ist Lernen?

Lernen ist die Aneignung von Wissen (etwas wissen) oder Fähigkeiten (etwas können). Bei den Fähigkeiten kann es sich um geistige oder motorische Fähigkeiten handeln. Zu den geistigen Fähigkeiten gehören z. B. analytisch-kreatives Denken, sprachliche und soziale Fähigkeiten.

 

Bezüglich Wissen hat Lernen zwei Ziele:

  1. Wir wollen uns an etwas erinnern können.
  2. Wir wollen etwas verstehen und anwenden können.

Wir können wir etwas lange erinnern?

Wenn wir etwas gelernt haben, dann wollen wir es nicht gleich wieder vergessen. Aber das Vergessen ist ein natürlicher Prozess:

 

"Vergessen ist ein wichtiger ... Prozess, der von unserem Hirn aktiv gesteuert wird. Anders wären die fortlaufenden Veränderungen und die enormen Informationsmengen, die ständig auf uns einströmen, nicht organisierbar. ... Vergessen bedeutet, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen ... " (www.br.de/wissen/vergessen-gehirn-strategie-filter-100.html, 05.11.2021)

 

"Unser Gedächtnis muss unbedeutende Informationen aussortieren können, damit wir uns an wichtige Dinge erinnern." (www.ardmediathek.de/video/odysso-wissen-im-swr/unser-gedaechtnis-im-dauerstress/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE2NDUxMTM, 11.11.24)

 

Was können wir tun, damit wir das Gelernte nicht gleich wieder vergessen?

 

"Wie speichert man Information so, daß sie auch behalten wird?

- Übung
- Verteiltes Lernen
- Elaboration [= etwas verarbeiten]
- Gedächtnisstützen

... Elaboration [verarbeiten/verstehen] ist entscheidend" (www.allpsych.uni-giessen.de/thomas/teaching/pdf/G2006/Gedaechtnis2.pdf, 05.11.21)

 

Es ist klar, dass wir durch "Übung" (hier ist mit "üben" das mehrmalige Wiederholen gemeint) eine Sache auswendig lernen und eine gewisse Zeit erinnern können. Vorteilhaft ist dabei, wenn die Übung über einen längeren Zeitraum stattfindet (= verteiltes Lernen", etwas mehrmals über einige Tage verteilt zu wiederholen ist besser, als alles sehr oft an einem Tag zu wiedeholen).

 

Lernen mit "Gedächtnisstüzen" tun wir, wenn wir das zu Lernende kombinieren mit bildlichen, persönlichen, überraschenden, humorvollen oder anderen Informationen. Oft benutzen wir dafür einem Merksatz oder ein aussagekräftiges Bild.

 

Wir lernen Informationen besonders gut, die in Verbindung stehen mit Dingen, die wir aus unserem Alltag kennen. Wenn uns die Dinge dann später im Alltag wieder begegnen, werden wir dadurch an das Gelernte erinnert ("selten gebrauchtes Detailwissen können wir schlecht behalten" s. u.).

 

Wenn wir Wissen erinnern wollen, ist es wichtig, dass wir dieses verstanden haben und anwenden können ("Elaboration = Verarbeiten ist entscheidend").

 

"Damit neue Inhalte verstanden, behalten und angewendet werden, müssen die neuen Informationen mit vorhandenem Wissen verknüpft, also elaboriert werden." (Krause, U.-M., Stark, R. (2006). Vorwissen aktivieren. In: H. Mandl, H.F. Friedrich (Hrsg.). Handbuch Lernstrategie. Göttingen: Hogrefe, S. 41)

 

Wie können wir etwas verstehen?

"... wenn wir in einer unberechenbaren Welt leben würden, in der sich die Dinge zufällig oder auf sehr komplizierte Weise änderten, dann wären wir nicht in der Lage, die Dinge zu verstehen. Wir leben aber in einem ... Universum, in dem sich die Dinge zwar ändern, aber nach ... Regeln oder, wie wir sie nennen, nach Naturgesetzen. ... Und so wird es möglich, Dinge herauszufinden." (Sagan, C. (2013). Cosmos. New York: Randon House Publishing Group, S. 41)

 

Wenn wir ein Ding in unserem Universum verstehen wollen, dann müssen wir erkennen, welche Regeln (und Fakten) für dieses Ding gelten (wenn wir z. B. verstehen wollen, warum Dinge aus der Höhe auf den Boden fallen, dann müssen wir die Gravitation kennen).

 

Es gibt die großen Regeln in unserem Universum (die Naturgesetze), die für viele Dinge gelten und es gibt die speziellen Regeln, die nur für besondere Dinge gelten. Verstehen können wir ein Ding nur, wenn wir beide Arten von Regeln kennen (die allgemeinen und die speziellen), die für dieses Ding gelten.

 

Beispiel für eine große Regel: die klassische Mechanik

"Die klassische Mechanik beschreibt die Bewegung von Körpern aufgrund äußerer Kräfte. ... Zunächst hat sich die Mechanik in die erdgebundene - und Himmelsmechanik unabhängig voneinander entwickelt. Die bedeutende Leistung von Sir Isaac Newton war die Erkenntnis, dass die Bewegungsabläufe auf der Erde den gleichen Naturgesetzen unterworfen sind wie auch die Bewegung aller Himmelskörper." (https://itp.uni-frankfurt.de/~luedde/Lecture/Mechanik/Intranet/Skript/MechanikSkript.pdf, 20.01.24, S. 1-3)

 

Andere Beispiele für große Regeln ("große Ideen"): die Evolution, die Erklärung der Menschenrechte, die Definition von Gesundheit,  ...

  

"Wir wenden uns nun der Frage zu, wie das Wissen von Experten organisiert ist ... Ihr Wissen ist nicht einfach eine Liste von Fakten und Formeln, die für ihren Bereich relevant sind, sondern ihr Wissen ist um Kernkonzepte oder 'große [grundlegende] Ideen' herum organisiert. ... Das Wissen von Anfängern ist weitaus weniger auf große Ideen ausgerichtet; sie gehen eher an Probleme heran, indem sie nach korrekten Formeln und einfachen Antworten suchen ... Experten lösen sich von ihrer ersten, allzu simplen Interpretation eines Problems oder einer Situation und hinterfragen ihr eigenes Wissen ..." (National Research Council (2000). How People Learn: Brain, Mind, Experience, and School: Expanded Edition. Washington, DC: The National Academies Press, www.nap.edu/read/9853/chapter/5, S. 36 - 50)

 

Da es wenige allgemeine (große), aber sehr viele spezielle (kleine) Regeln gibt, ist es besser, die allgemeinen Regeln sehr gut zu kennen und anwenden zu können und dann zu versuchen, die speziellen Regeln für ein Ding aus den allgemeinen Regeln abzuleiten (aus den Grundlagen die Details ableiten).

 

"In einem Beispiel aus der Physik wurden Experten und kompetente Anfänger (College-Studenten) gebeten, den Ansatz, den sie zur Lösung von Physikproblemen verwenden würden, verbal zu beschreiben. Experten nannten in der Regel das/die wichtigste(n) Prinzip(e) oder Gesetz(e), das/die auf das Problem zutraf(en), zusammen mit einer Begründung, warum diese Gesetze auf das Problem zutrafen und wie man sie anwenden konnte (Chi et al., 1981). Im Gegensatz dazu verwiesen kompetente Anfänger nur selten auf die wichtigsten Prinzipien und Gesetze der Physik; stattdessen beschrieben sie typischerweise, welche Gleichungen sie verwenden würden und wie diese Gleichungen manipuliert werden würden (Larkin, 1981, 1983)." (National Research Council (2000). How People Learn: Brain, Mind, Experience, and School: Expanded Edition. Washington, DC: The National Academies Press, www.nap.edu/read/9853/chapter/5, S. 37)

Wie lernen - Wissen - die Details von den Grundlagen ableiten - wiedererkennen - nicht vergessen - www.learn-study-work.org

Beim Lernen bildet unser Gehirn Verknüpfungen zwischen den schon vorhandenen und den von uns neu aufgenommenen Informationen. Das Neue muss an Bekanntes angeknüpft werden (dadurch wird das Neue verstanden und das Bekannte wiederholt). So entsteht ein "Netzwerk von Informationen".

 

"Mit der Entwicklung von Expertenwissen geht das Wissen von einer Sammlung isolierter Fakten zu einem stark integrierten Netzwerk von Informationen ... über" (Persky, A. M., & Robinson, J. D. (2017). Moving from novice to expertise and its implications for instruction. American journal of pharmaceutical education, 81(9), 6065, S. 76, www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5738945/?trk=public_post_comment-text, 09.02.24)

 

Bei solch einem "Netzwerk von Informationen" sind die Informationen eingeordnet in Kategorien/Klassen, die Dinge oder Begriffe mit ähnlichen Eigenschaften zusammenfassen. Beim Kategorisieren konzentrieren wir uns auf die wesentlichen Eigenschaften eines Dinges. Das reduziert die Informationsmenge. Gleichzeitig verknüpfen wir aber mit dem Ding andere (wesentliche) Informationen, die wir schon über die Kategorie wissen, zu der es gehört.

 

"Kategorisierung ist eine basale kognitive [grundlegende geistige] Fähigkeit, die eingehende Sinneseindrücke sortiert und basierend auf wahrgenommenen Ähnlichkeiten bestimmten Gruppen zuordnet. ... Was ist so vorteilhaft an Kategorisierung? Offensichtlich ist, dass Kategorisierung es erlaubt, Informationen zu ordnen und damit die Informationsmenge zu reduzieren. Ein zusätzlicher fundamentaler Verarbeitungsvorteil entsteht aber vor allem daraus, dass beim Kategorisieren Verbindungen zwischen eingehenden Umweltreizen und gespeichertem Vorwissen hergestellt werden. ... Kategorisierung beruht darauf, dass unser Gehirn Erfahrungen nicht einfach unsortiert abspeichert, sondern nach Gemeinsamkeiten und Mustern ordnet ..." (Degner, J. (2022). Grundprinzipien der Informationsverarbeitung. In Vorurteile: haben immer nur die anderen (pp. 75-95). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, S. 75, 76, 78)

 

Durch das Kategorisieren erhält unser Wissen eine hierarchische Struktur. Die Kategorien sind über die "großen/grundlegenden Ideen" miteinander verbunden. Auch die Detail-Informationen in den Kategorien sind untereinander vernetzt.

Wie lernen - Experten - Anfänger - Expertenwissen - Netzwerk von Informationen - große grundlegende Idee - Kategorien vernetzt - www.learn-study-work.org

Wenn es heißt: "Sie müssen die Zusammenhänge erkennen!" Was sind dann die Zusammenhänge? Zwei Dinge haben einen Zusammenhang, wenn es Regeln gibt, die für beide gelten. So erkannten die Wissenschaftler, dass die Regeln der klassischen Mechanik sowohl für die Himmelsmechanik als auch für die erdgebundene Mechanik gelten.

 

Wie sollten wir lernen?

Wir sollten so lernen, wie es unserer natürlichen Veranlagung entspricht. Es geht darum, "Erfahrungen zu generalisieren" und so die grundlegenden Ideen zu erkennen, die in vielen Situationen angewendet werden können.

 

"Weswegen fällt uns das Lernen oft so schwer, obwohl es eine grundlegende Eigenschaft unseres Gehirns ist? ... Unser Gehirn ist eigentlich nicht darauf ausgerichtet, Wissen, insbesondere selten gebrauchtes Detailwissen, zu lernen und zu behalten. Jedes menschliche Gehirn ist evolutionär mehr auf Können und das Sammeln und Generalisieren von Erfahrungen eingestellt, die das Überleben in seiner Umwelt ermöglichen." (Rost, F. (2018) Lern- und Arbeitstechniken für das Studium. Springer VS, Wiesbaden, S. 34)

 

Die Evolution hat die Lernfähigkeiten des Menschen immer weiter verbessert. Diejenigen Menschen, die besser lernen konnten, hatten eine größere Überlebenschance. Der Mensch benutzt seine 5 Sinne, um zu lernen: Wenn wir einen Löwen sehen, hören oder riechen, dann sollten wir vorsichtig sein. Wenn etwas verfault schmeckt, sollten wir es nicht essen. Wenn sich etwas heiß anfühlt, sollten wir Abstand halten.

 

"Wir lernen also mit allen Sinnen. Auch Schmecken und Riechen spielen beim Lernen eine Rolle, ebenso Gefühle. Doch funktioniert das multisensorische Lernen nach dem Motto je mehr Sinne, desto besser? 'Wahrscheinlich ja. Wie stark sich der Lernerfolg aber durch mehrere Sinne steigern lässt, wissen wir nicht. ...', sagt von Kriegstein." (www.mpg.de/8930937/vokabel-lernen-gesten, 03.03.24)

 

Beispiele: Einige Formeln habe ich akustisch gelernt. Wenn ich an sie denke, dann höre ich eine innere Stimme, die sagt: "Arbeit ist Kraft mal Weg." oder "Dichte ist Masse durch Volumen." Für anderes Wissen habe ich im Kopf ein Bild gespeichert: Wenn ich an eine Parabel denke, dann sehe ich eine Parabel als Kurve in einem Koordinatensystem, an der steht  {\displaystyle y=x^{2}}. Wenn ich an einen Hund denke, dann sehe ich das Bild eines Hundes und höre nicht die gesprochene Definition eines Hundes, die ich sowieso nicht kenne.

 

Egal mit welchem Sinn oder mit welcher Kombiation von Sinnen (multisensorisch) wir lernen, wir können "selten gebrauchtes Detailwissen" nur schlecht erinnern. Unser Gehirn ist mehr "auf das Generalisieren (Verallgemeinern) von Erfahrungen eingestellt". Es will die "großen Ideen (Regeln)" finden, die in vielen Lebenssituationen angewendet werden können.

 

Da wir in einer Lerneinheit nur eine begrenzte Menge an Details aufnehmen können, sollten auch wir das Wissen einer Lerneinheit um "Kernkonzepte oder große Ideen" herum organisieren, so wie es Experten tun (s. o.). Dann können wir die Details von den Ideen ableiten.

 

Gedächtnissportler merken sich starke Bilder und Geschichten und leiten von diesen die eigentlichen Dinge ab, an die sie sich erinnern wollen.

 

Siehe das Interview in der taz unter https://taz.de/Gedaechtnissportler-ueber-seine-Techniken/!5900181, 21.01.24:

"Das Hauptprinzip ist, dass man sich das, was man sich merken will, verbildlichen muss. ... Wichtig ist, dass man sich starke Bilder und Geschichten ausdenkt. ... ohne Emotionen kann man sich die Sachen nicht gut merken." Davor: "Wobei das Merken von Zahlen was ganz anderes ist als das Verständnis von physikalischen oder mathematischen Gesetzen. Dass man sich Dinge merken kann, heißt nicht, dass man sie auch versteht."

 

Da wir den Lernstoff nicht nur erinnern, sondern auch verstehen wollen, dürfen wir uns keine beliebigen Bilder ausdenken, sondern sollten die "großen Ideen" verwenden, die die Grundlage für die Details des Lernstoffs bilden. Wir identifizieren also für jede Lerneinheit (jede Schulstunde, jede Vorlesung, jeden Text, jede Präsentation) eine "große/grundlegende Idee" und formulieren dann für diese Idee eine Kernaussage. Eine Kernaussage ist "das Wichtigste vom Wichtigen" (siehe unten oder auf Learn-Study-Work "Einen guten verständlichen Text schreiben")

 

Eine optimale Kernaussage zu formulieren, gelingt erst, wenn wir den Lernstoff richtig gut verstanden haben. Auch wenn die Kernaussage nicht optimal ist, hat sie Vorteile. Wir können die Kernaussage als Gedächtnisstüze verwenden oder sie mit einer passenden Gedächtnisstüze verbinden (einem Bild, einem Merksatz oder einer andere Information), so wie es die Gedächtnissportler tun.

 

Wie können wir uns auf eine Prüfung vorbereiten?

Es gibt zwei Arten von Prüfungen: Prüfungen, wo Wissen abgefragt wird und Prüfungen, wo Wissen angewendet werden muss, um Aufgaben zu lösen (z. B. Mathematikaufgaben oder Texte schreiben). Wissen anzuwenden, muss an Beispielaufgaben geübt werden.

Wie lernen - Experten - Anfänger - eine Prüfung vorbereiten - www.learn-study-work.org

Wir prüfen, ob uns der Umfang des Lernstoffs für die anstehende Prüfung vollständig bekannt ist, denn wir wollen nichts übersehen. Dann müssen wir den Lernstoff in in sinnvolle Teile und Unterteile zerlegen und diese so anordnen, dass wir eine hierarchische Struktur erhalten, die möglichst logisch aufgebaut ist. Das ist wichtig, weil eine sinnvolle Struktur besser zu erinnern ist (s. u.).

 

Wir sollten im Geiste oder auf Papier alternative Anordnungen der Teile vergleichen und dann die anschaulichste auswählen. Das ist diejenige Struktur, die einen Kompromiss darstellt zwischen "zu grobgliederig" und "zu feingliedrieg". Parallel zur Erstellung der Gliederungsstruktur sollten wir eine Liste mit Fragen zu dem Lernstoff zu erstellen und die Fragen in eine logische Reihenfolge bringen. Die logische Reihenfolge ergibt sich dadurch, dass sich aus der Antwort auf eine Frage die nachfolgende Frage ergibt.

 

Beispiel "Klausurvorbereitung - Immunsystem" (auf Learn-Study-Work):

  1. Warum benötigt der Mensch ein Immunsystem? Um sich vor Krankheitserregern zu schützen.
  2. Welche Krankheitserregern können vorkommen? Bakterien, Viren, ...
  3. Was sind Bakterien?
  4. Was sind Viren?
  5. Über welche Infektionswege können die Krankheitserregern in den menschlichen Körper gelangen?
  6. Welche Barrieren versperren diese Infektionswege?
  7. Was passiert, wenn ein Krankheitserreger eine Barriere überwindet?
  8. ...

Ich schreibe alle meine Texte, indem ich Fragen in einer logischen Reihenfolge beantworte. Wer die Fragen als Überschrift nicht mag, kann die Frageform in normale Überschriften abändern (die Frageform hat den Vorteil, dass man sehr schnell merkt, ob eine Frage präzise beantwortet wurde oder nicht).

 

"Die Kunst zu fragen ist nicht so leicht als man denkt; es ist weit mehr die Kunst des Meisters als die des Schülers. Man muß viel gelernt haben, um über das, was man nicht weiß, fragen zu können." (Jean-Jacques Rousseau, 1712 - 1778, www.aphorismen.de/zitat/15231, 12.03.24)

 

Die strukturelle Gliederung und die Liste der logischen Fragen müssen zueinander passen. Das heißt, es muss möglich sein die Fragen in ihrer logischen Reihenfolge in die hierarchische Gliederungstruktur einzufügen. Hat das geklappt, können wir bei jedem Gliederungspunkt, die dort stehenden Fragen (am besten schriftlich) beantworten. Das Beantworten der Fragen ist sehr schwierig werden, wenn wir keine guten Materialien haben (Mitschriften, Skripte, Bücher, Videos), die den zu lernen Stoff verständlich erklären. Das Formulieren zufriedenstellende Antworten kann sehr zeitaufwendig sein oder es ist vielleicht gar nicht möglich. Unser Ziel ist die bestmögliche Antwort in der zur Verfügung stehenden Zeit.

 

Ist eine Antwort kurz, können wir sie uns direkt merken (akustisch oder als Bild). Handelt es sich um eine längere Antwort, sollten wir uns die grundlegende Idee dieser Antwort klar machen und eine Kernaussage formulieren, schriftlich oder nur im Kopf.

 

Genauso sollten wird für den gesamten Lernstoff eine Kernaussage formulieren. Die Kernaussagen können mehr oder weniger optimal sein, entsprechend der zur Verfügung stehenden Zeit.

 

So entsteht in unserem Kopfe zu jeder Lerneinheit eine Struktur von Kernaussagen. (Lesen Sie auf Learn-Study-Work "Die beste Lernmethode/Lernstrategie für eine Prüfungs")

 

Wie können wir eine Kernaussage schlussfolgern?

Wir müssen "eine Sache, ein Ereignis oder eine Situation" verstehen, um auf die richtige Kernaussage schließen zu können.

 

"Um die Bedeutung einer Sache, eines Ereignisses oder einer Situation zu erfassen, muss man sie in ihren Beziehungen zu anderen Dingen sehen: erkennen wie sie funktioniert und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, was sie verursacht und wie sie genutzt werden kann." (Dewey, J. (1933). How We Think: restatement of the relation of reflective thinking to the educative process. Boston, D.C. Heath and Co., S. 137)

 

Um eine Sache zu verstehen, müssen wir sie analysieren. Analysieren heißt, etwas in seine Bestandteile zu zerlegen und über diese Bestandteile und ihre Beziehungen untereinander möglichst viele Informationen zu sammeln.

 

Das Schlussfolgern einer Kernaussage geschieht in zwei Schritten: Die Informationen, die wir über die Lerneinheit haben, zu der wir die Kernaussage formulieren wollen, teilen wir ein in wichtige und nicht so wichtige Informationen. Dann sehen wir uns die wichtigen Informationen an und denken daran, dass unsere Schlussfolgerung berücksichtigen muss, dass "das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile ist". "Das Ganze" ist das "Wichtigste vom Wichtigen". Es (die Kernaussage) hängt allerdings davon ab, was wir wollen (mit welcher "Blickwinkel" wir auf die Sache/Lerneinheit sehen).

 

Soll die Kernaussage beschreiben "wie die Sache funktioniert, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, was sie verursacht oder wie sie genutzt werden kann"? Für jede Frage ist die Kernaussage anders. Wenn wir Glück haben, ist das "Wichtigste vom Wichtigen" eine Information auf unserer Liste von wichtigen Informationen. Wahrscheinlich müssen wir aber von den wichtigen Informationen mehre kombinieren und einen neuen Satz formulieren.

 

Beispiel Verbrennungsmotor eines PKWs:

Ein Objekt kann Bestandteil von etwas sein, aber es kann auch selber aus Bestandteilen bestehen. So ist z. B. ein Verbrennungsmotor der Bestandteil eines Autos und gleichzeitig besteht er selbst aus Teilen. Um die Funktion des Motors zu verstehen, muss man die Beziehungen zwischen den Dingen innerhalb und außerhalb des Motors verstehen.

Die Kernaussauge zu einem Verbrennungsmotor eines Autos könnte lauten: "Wenn man die Funktionsweise des Verbrennungsmotors verstehen will, dann muss man wissen, dass in mehreren Zylindern des Motors ein Kraftstoff-Luft-Gemisch durch eine Explosion verbrannt wird, wodurch die entstehenden Abgase Kolben in den Zylindern bewegen und so das Auto antreiben.

 

Bei komplexen (komplizierten) Sachen/Ereignissen/Situationen ist das Schlussfolgern besonders schwer, weil uns meist wichtige Informationen fehlen. Dann müssen wir kreativ werden: Wir müssen alle Möglichkeiten für das Unbekannte bedenken und die wahrscheinlichste Möglichkeit auswählen. Auf Learn-Study-Work wird das kreative Analysieren und Schlussfolgern erklärt, siehe "Wie Situationen/Systeme analysieren" und "Wie kreativ werden" (die Texte sind allerdings nicht so einfach zu verstehen).

 

Leider gibt es Menschen, denen es zu mühsam ist, bei einer Analyse alle notwendigen Informationen über eine Situation zusammenzutragen und auch die grundsätzlichen Fragen bezüglich dieser Situation präzise zu beantworten. Sobald sie eine erste Idee für eine Schlussfolgerung haben, beenden sie die Analyse. Aber meistens ist bei schwierigen Analysen die erste Idee ist nicht die beste. 

 

Wie können wir etwas aus unserem Kurzzeit- in unser Langzeitgedächtnis bringen?

"Da die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses auf durchschnittlich 3,5 (bis max. 5) Elemente begrenzt ist und sinnvolle Information besser behalten wird als sinnlose, kommt es darauf an, 'Klumpen' (chunks) zu bilden. ... Erst das Langzeitgedächtnis ... sichert Wissen vor dem Vergessen  ... Dabei geht das Gehirn denkökonomisch vor, d. h. es integriert, reduziert, generalisiert und abstrahiert ... Da das Gehirn in dieser Weise funktioniert, sollten wir es unterstützen, indem wir aktiv sog. 'Superzeichen' bilden, d. h. Schlüsselworte, Strukturen und Hierarchien (Ober- und Unterbegriffe), an denen entlang das Gedächtnis weitere Informationen durch Assoziationen rekonstruieren kann." (Rost, F. (2018) Lern- und Arbeitstechniken für das Studium. Springer VS, Wiesbaden, S. 52 - 54)

 

Um unserem Gehirn zu helfen, müssen wir also den Lernstoff "reduzieren, abstrahieren und generalisieren", um so auf die "Superzeichen" (sinnvolle Klumpen = grundlegende Ideen) zu kommen. Diese gehen dann in das Langzeigedächtnis über, zusammen mit einigen dazugehörigen Details.

 

Beispiel: Wir wollen die deutsche Geschichte so aufbereiten, dass wir sie nie wieder vergessen. Dazu müssen wir sie analysieren und dann auf die wichtigsten Ereignisse reduzieren (siehe auf Learn-Study-Work "Die deutsche Geschichte"):

  • 9 nach Chr. - Armenius (der Asterix der Deutschen) besiegt die Römer
  • 800 - Karl der Große wird vom Papst zum Kaiser gekrönt - Heiliges Deutsches Reich (schwache Kaiser)
  • 1815 - Wiener Kongress - Deutscher Bund (Deutschland ein Flickenteppich)
  • 1848 - Deutsche Revolution (nicht erfolgreich)
  • 1871 - Deutsche Reich - (Bismark, Kaiser Wilhelm und der Hauptmann von Köpenik)
  • 1914 - 1918 - Erster Weltkrieg (Weltmacht als Ziel)
  • 1918 - 1933 Weimarer Republik (Demokratie)
  • 1933 - 1945 Hitler / 1939 - 1945 2. Weltkrieg
  • 1945 - 1989 zwei deutsche Staaten
  • 1989 -   ...   ein deutscher Staat (03.10. Feiertag der Wiedervereinigung)

Ich habe die Punkte logisch (nach der Zeit) geordnet und versucht für jeden Punkt eine Gedächtnisstütze zu finden. Trotzdem ist die Zahl von 9 Punkten zu groß, um sie dauerhaft zu erinnern. Entsprechend dem obigen Zitat müssen wir jetzt "integrieren", d. h. zusammenfassen (wobei wir einige Ungenauigkeiten in Kauf nehmen müssen). Vielleicht so:

  • 9 - 1814: das Land der Barbaren wird zum Heiligen Römischen Reich
  • 1815 - 1918: Deutscher Bund und Deutsches Reich
  • 1918 - jetzt:  Demokratie - 2. Weltkrieg - Demokratie

So kommen wir zu der magischen Zahl von 3 Punkten, die man sich gut merken kann (3 Punkte sind optimal, aber 4 Punkte gehen auch noch). Wir sind zu einer "hierarchischen Struktur mit Ober- und Unterbegriffen" gelangt.

Wie lernen - deutsche Geschichte Zusammenfassung - Arbeit Klausur vorbereiten - reduzieren - hierarchisch ordnen - www.learn-study-work.org

Wir können diese Zusammenfassung auch als Zeitstrahl darstellen. Weil der Zeitstrahl relativ wenige Punkte hat, könnten wir ihn noch einigermaßen gut erinnern. Bei mehr Punkten (bei zu vielen Details) wäre dies nur schwer möglich.

Wie lernen - die deutsche Geschichte kurze Zusammenfassung - Zeitstrahl - www.learn-study-work.org

Wie vom Zitat oben gefordert müssen wir jetzt noch abstrahieren, d. h. eine allgemeine Schlussfolgerungen ziehen.  Für mich stellt sich aus heutiger Sicht die Kernfrage: Wie konnte es zum 1. Weltkrieg, zum 2. Weltkrieg und zum Holocaust kommen? Zur deutschen Geschichte gibt es verschiedene Meinungen, weshalb jeder selber diese Frage beantworten und so zu einer Kernaussage kommen sollte.

 

Auf diese Art und Weise kann man den Prüfungsstoff für jede Klassenarbeit/Klausur vorbereiten (da braucht man für einem Thema wahrscheinlich 3 oder 4 Ebenen). Voraussetzung ist, dass man analysieren kann und die Zusammenhänge versteht.

 

Generalisierend können wir sagen: Jede Lerneinheit sollte eine hierarchisch-logische Struktur haben und um eine Kernaussage/Hauptaussage herum organisiert sein.

 

"Strukturierte Informationen sind leichter zu merken und abzurufen als ungeordnete Informationen." (www.nature.com/articles/s41598-019-46908-z, 09.01.22)

Wie lernen? Hierarchisch und logisch (sinnvoll) geordnete Aussagen sind leichter zu verstehen und besser zu erinnern - www.learn-study-work.org

"Herausragende Gedächtnisleistungen sind auch Gegenstand der Skilled Memory-Theory von Chase and Ericson (1981). ... Chase und Ericson (1981) konnten so demonstrieren, dass durch bedeutungshaltige Strukturierung und Entwicklung einer hierarchischen Abrufstruktur die Grenzen des Arbeitsspeichers [=Kurzzeitspeichers] deutlich überwunden werden können." (Hagemann, N., Tietjens, M., & Strauss, B. (Eds.). (2007). Psychologie der sportlichen Höchstleistung: Grundlagen und Anwendungen der Expertiseforschung im Sport. Hogrefe Verlag., S. 10)

 

Muss in jedem Fach anders gelernt werden?

Einige Wissenschaftler sagen:

 

"Jede Disziplin hat ... eine andere Art, Fragen zu stellen und Probleme zu lösen ... Wir stellen hier fest, dass es zahlreiche Belege dafür gibt dass effektiver Unterricht fachspezifisch ist, und nicht auf einem Werkzeugkasten allgemeiner Lehrtechniken basiert." (Darling-Hammond, L., Flook, L., Cook-Harvey, C., Barron, B., & Osher, D. (2020). Implications for educational practice of the science of learning and development. Applied developmental science, 24(2), S. 116)

 

Jeder muss selber entscheiden, wie sie oder er lernt bzw. lehrt. Natürlich ist jeder Fachunterricht "fachspezifisch", aber wer das Fachwissen gut analysieren kann, dem fällt das Lernen leicht und dem bringt es auch Spaß.

 

"Menschen nehmen vor allem das wahr, wofür sie sich interessieren und worüber sie schon ein Vorwissen haben. Das ist der Grund dafür, dass alle Sachverhalte, die in Verbindung stehen mit den eigenen Vorlieben, so leicht gelernt werden." (Rost, F. (2018) Lern- und Arbeitstechniken für das Studium. Springer VS, Wiesbaden, S. 43)

 

Wer keinen großen Nutzen im Analysieren und logischen Schlussfolgern sieht, wird den Lernstoff nicht so gut verstehen und auch nicht so lange erinnern können.

 

"Eine 2023 erschienene Studie der OECD zeigt ... Leistungsmessung sollte sich auf das konzentrieren, worauf es ankommt. ... Für die Studienautoren kommt der Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und Probleme zu lösen, eine besondere, übergeordnete Rolle zu: Diese setzt neben einem fundierten Fachwissen ein analytisches, kreatives und kritisches Denkvermögen voraus. Ebenso nennen sie soziale und emotionale Fähigkeiten, Toleranz und gegenseitiger Respekt ... als wichtige komplexe Kompetenzen." (www.telekom-stiftung.de/themen/kreativitaet-und-kritisches-denken-messen, 28.08.24)

 

Eine Übungsaufgabe

Was ist die Kernaussage zu der Frage: "Wie können wir etwas verstehen?" Für die Antwort verwenden wir das oben stehende Zitat:

 

"Um die Bedeutung einer Sache, eines Ereignisses oder einer Situation zu erfassen, muss man sie in ihren Beziehungen zu anderen Dingen sehen: erkennen wie sie funktioniert und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, was sie verursacht und wie sie genutzt werden kann." (Dewey, J. (1933). How We Think: restatement of the relation of reflective thinking to the educative process. Boston, D.C. Heath and Co., S. 137)

 

Dieses Zitat können wir als Wenn-Dann-Regel auffassen ("Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann haben wir eine Sache verstanden"):

 

Wenn wir erklären können,

  • in welchen Beziehungen eine Sache zu anderen Dingen steht,
  • wie sie funktioniert,
  • was sie verursacht,
  • wie sie genutzt werden kann und
  • welche Konsequenzen sich ergeben,

dann haben wir die Sache verstanden.

 

Welche von diesen Bedingungen ist die wichtigste? Es kommt erst einmal nicht darauf an, ob wir die richtige Bedingung auswählen. Wichtig ist vielmehr, dass wir darüber nachdenken und uns dann für eine Bedingung entscheiden.

 

 

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